Am 12. Juli 2023 hatten die Schüler*innen der Klasse 10b im Unterricht von Frau Freund-Donnhauser die Gelegenheit, Geschichte unmittelbar, lebendig und authentisch zu erfahren: Die DDR-Zeitzeugin Elke Schlegel, geboren und aufgewachsen in Jena, berichtete auf emotionale Weise von ihren Erfahrungen in der DDR-Diktatur. Ab 1983 stellten sie und ihr späterer Ehemann mehrfach Ausreiseanträge in den Westen und demonstrierten mit Jenaer Regime-Gegnern des „Weißen Kreises“. Das Leben im Osten Deutschlands war für sie unerträglich geworden: Weder stand ihnen „die Welt offen“, wie man es ihnen bei der sogenannten „Jugendweihe“ gerne prophezeite, noch konnten sie die demokratischen Freiheitsrechte genießen, die für die Bundesbürger in Westdeutschland selbstverständlich waren. Nach der Einreichung des Ausreiseantrags spürten Frau Schlegel, ihr Freund sowie ihr kleiner Sohn am eigenen Leibe, was die DDR unter „Zersetzungsmaßnahmen“ verstand: In ihren Berufen blieben den Eltern jegliche Aufstiegschancen verwehrt; ihr Sohn wurde in der Kinderkrippe von den Erzieherinnen stark vernachlässigt, wodurch ihm psychische wie physische Schäden zugefügt wurden. Spätestens jetzt war Elke Schlegel klar, dass ein Verbleiben in der Deutschen Demokratischen Republik keine Option mehr war. Überraschenderweise wurde die Ausreise genehmigt, doch dann wurde Frau Schlegel von ihrem eigenen Bruder verhaftet und wegen „Versuchter Republikflucht“ zu 18 Monaten Haft im Frauengefängnis Hoheneck verurteilt. Kontakt zu ihrem Sohn war unmöglich. Die Bedingungen in diesem „Zuchthaus“ waren menschenverachtend: Die Häftlinge erfuhren körperliche wie seelische Gewalt, die die Betroffenen bis heute verfolgt. Schließlich wurde Elke Schlegel wegen Unterernährung von der Bundesrepublik freigekauft. Heute lebt sie in Koblenz und steht rheinland-pfälzischen Schulen als Zeitzeugin über das DDR-Zeitzeugenportal (www.ddr-zeitzeuge.de oder www.zeitzeugenbuero.de) zur Verfügung. Somit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und zur Demokratisierung unserer Jugend.
Wir danken Frau Schlegel ganz herzlich für ihr Kommen und ihre Bereitschaft, offen mit uns über ihre Vergangenheit und deren Auswirkungen auf ihre Gegenwart zu sprechen. Dank ihrer Berichterstattung ist den Schüler*innen der 10b besonders ausdrücklich vor Augen geführt worden, dass die DDR ein Unrechtsstaat war und nicht mittels „Ostalgie“-Produkten verharmlost werden sollte. Diese Geschichtsstunde wird unseren Zehntklässler*innen sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben!
V. Freund-Donnhauser