Es ist der 08. Mai 2025, 18.30, Aula des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Daun, Tag des Gedenkens an die Kapitulation von „Nazi-Deutschland“; manch einer wartet vielleicht auch noch auf weißen Rauch aus einem kleinen Schornstein auf einer römischen Kapelle.
Hier auf der Bühne erscheint gleich zu Beginn auch ein weißer Rauch – dieser aber ist ein Rauch des Vergessens, so scheint es.
Gespielt wird Borcherts „Draußen vor der Tür“ in einer sehr kreativen und komplexen Variation, umgesetzt vom Kurs „Darstellendes Spiel“ der MSS 12 am Geschwister-Scholl-Gymnasium. Die Leitung des Kurses hat Frau Tanja Finnemann, die betont, dass 90% der Vorarbeit für die heutige Vorstellung von den Schülerinnen und Schülern sehr selbstständig geleistet worden ist, und das mit Begeisterung.
Der Zuschauer ist gefordert: Gespielt wird auf mind. 5 verschiedenen zeitlich-gedanklichen Ebenen:
Teil der Inszenierung ist die Spielsituation selbst: Zu Beginn und zum Schluss des Theaterabends fragt der Kurs, warum er sich mit Borcherts Stück abmühen soll, welche Relevanz es für die jungen Menschen aus der Eifel habe. Eine KI-Stimme gibt immer wieder hilfreiche Hintergrundinformationen z.B. zu Borcherts Stück oder auch zu der Besonderheit der Eifel.
Beckmann, ein Kriegsheimkehrer aus dem 2. WK irrt in seiner ehemaligen Heimat herum und findet keinen Halt mehr. – Die Eifel ist schön mit ihrer wunderbaren Natur (eingespielte O-Töne schwärmen von der Eifel im Jahr 2025). – Was hat das miteinander zu tun? Weitere Spielebenen werden eröffnet: Wir sehen eine Eifelszene au der heutigen Zeit: ein bisschen dörfliches Familienleben, ein bisschen Party, ein bisschen Neugier, ein bisschen Klüngelei, ein bisschen Verherrlichung der Vergangenheit: „der August sah schon gut aus in seiner Wehrmachtsuniform“, ein bisschen Fremdenhass, heute noch. Dann wieder ein Schnitt – die Eifel im Jahr 1933 – Herr E. wird aufgrund eines vermeintlich erblich bedingten Schwachsinns zwangssterilisiert und damit ein Leben unwiderbringlich zerstört – ohne eine Aussicht auf Entschädigung – auch nicht Jahrzenhnte später. Die Bundesrepublik tut sich lange schwer mit der Aufarbeitung der Geschichte der Opfer von Euthanasieverbrechen und Zwangssterilistation, auch in der Eifel. Herr E. ist keine Erfindung – neben Borcherts Stück arbeitetet der DS-Kurs mit Forschungsarbeiten der Doktorandin für Geschichte, ehemalige GSG-Schülerin, Franziska Kaiser. Herr E. war eines der Opfer der Nazis in der Eifel; er starb 1999 in Gerolstein. – Warum wissen wir so etwas nicht? Immer wieder werden Szenen von Borchert mit „Eifelszenen“ von damals und heute komponiert und mit offener Deutung eindrucksvoll dargestellt. -Dann wieder Borchert: Beckmann findet noch immer keine Heimat– und bleibt draußen vor der Tür, unverstanden, ungehört, von der Bühne „weggeräumt“.
Ein Abend des Nachdenkens über den „roten Faden“, der alle Spielebenen verbindet. Ein sprechender Chor am Schluss zieht noch einmal die Brücke zum heutigen Datum, dem 08 Mai und mahnt „Nie wieder ist jetzt“. Vielleicht ist auch die sehr überzeugende und geschlossene gemeinschaftliche darstellerische Leistung des Kurses ein Schlüssel zur Botschaft: Zusammen können wir die Bühne bespielen, Spaß haben und gleichzeitig Haltung zeigen und einstehen für Demokratie, Frieden. Wir alle können uns an der Eifel-Heimat freuen, die mehr ist als schöne Natur, sondern die auch Verantwortung von uns fordert und so grausame Geschichte überwindet, nicht durch Vergessen.
(Nathalie Krämer)




