Schultheater der Länder in Niedersachsen

Das GSG-Daun vertritt mit dem DS Kurs der MSS 13 das Land Rheinland-Pfalz beim Bundeswettbewerb in Niedersachsen

Mit der Produktion: „Draußen vor der Tür – jung, pleite, verzwEIFELt,“ ist der Kurs Darstellendes Spiel der Jahrgangsstufe 13 beim Schultheater der Länder in Niedersachsen aufgetreten und begeisterte das Publikum im Lessing Theater in Wolfenbüttel:

Rheinland-Pfalz: Draußen vor der Tür: Jung, pleite, verzweifelt
Am 1. Oktober 2025 zeigt das Geschwister-Scholl-Gymnasium Daun (Rheinland-Pfalz) seine Eigenproduktion „Draußen vor der Tür – jung, pleite, verzwEIFELt“ im Lessingtheater Wolfenbüttel. Unter der Spielleitung von Tanja Finnemann setzen sich die Schüler*innen mit Motiven aus Wolfgang Borcherts Nachkriegsdrama auseinander und verknüpfen diese mit Fragen nach Heimat, Erinnerung und Verantwortung. Die Eifel, ihre eigene Herkunftsregion, spielt dabei eine zentrale Rolle. Unterstützt von einer künstlichen Intelligenz entsteht eine eindrucksvolle Collage aus eindrucksvollen Szenen, historischen Recherchen und persönlichen Perspektiven.
Schon der Einstieg ist interessant. Drei Körper stehen auf der Bühne, verhüllt in knisternde Plastikfolie, während ein Schüler das Stück mit einem Gespräch an die KI eröffnet, als Hilferuf und kreativer Auftakt zugleich. Es wird schnell deutlich, dass hier ist kein traditionelles Theater, sondern eine Suche. Eine Auseinandersetzung mit einem schwierigen Stoff, einer schweren Vergangenheit und mit sich selbst. In wechselnden Szenen und Stilen entfaltet sich ein Stück, das viel will und viel wagt. Die Jugendlichen spielen Beckmanns Geschichte nicht einfach nach, sondern brechen sie immer wieder auf. Sie diskutieren offen über ihren eigenen Bezug zum Thema, über den Darstellenden-Spiel-Unterricht, über Druck, Erwartungen und die Frage, warum sie sich überhaupt mit einem Kriegsheimkehrer beschäftigen sollen. Diese verschiedenen Perspektiven wirken nicht gewollt, sondern ehrlich, wie ein kollektives Denken auf der Bühne. Besonders eindrücklich: die Szene eines Familienabends, bei dem konservative Rollenbilder, Leistungsdruck und rassistische Kommentare ganz beiläufig fallen. Oder die Erzählung des „Herrn E.“, einem realen Fall von Zwangssterilisation in der NS-Zeit, dessen Geschichte in stillen, wütenden und bewegenden Momenten erzählt wird. Und das begleitet von Gerichtsurteilen, Marschmusik und eindringlichen Bildern. Aber auch das Heute bleibt nicht außen vor. Eine Szene auf einer Dorffeier in der Eifel macht deutlich, wie sich Gewalt, Ausgrenzung und Intoleranz fortsetzen. Die Frage „Kann ich das hier überhaupt noch Heimat nennen?“ zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Am Ende steht Beckmann wieder auf der Bühne. Er wirkt allein, übersehen, umringt von starren Körpern. Doch anders als zu Beginn erfährt er nun Nähe, wird gesehen, gehalten. Und mit ihm vielleicht auch eine ganze Generation, die fragt, zweifelt und dennoch nicht aufhört zu hoffen. „Nie wieder ist jetzt“. Dieser Satz hallt zum Schluss durch den Raum. Keine leere Floskel, sondern eine klare Haltung. Die Inszenierung ist politisch, persönlich, widersprüchlich und gerade deshalb so stark. Sie nimmt sich Zeit, macht Ungerechtigkeiten sichtbar und bleibt dabei durchgehend in Bewegung.

Autor*in: Nita Hinz, Studierende Person des Darstellenden Spiels und der Kunstpädagogik an der HBK Braunschweig

Das „Schultheater der Länder 2025“ ist das größte Schultheaterfestival Europas und fand vom 27. September bis 2. Oktober 2025 in Niedersachsen, genauer in Braunschweig und Wolfenbüttel, statt. Dieses bundesweite Festival bringt jedes Jahr rund 450 Schüler*innen sowie Lehrkräfte aller Schulformen aus ganz Deutschland zusammen, um die Vielfalt und Kreativität des Schultheaters zu feiern und sichtbar zu machen.

Was ist das Festival?

Das Festival „Schultheater der Länder“ bietet ausgewählten Jugendtheatergruppen aus jedem Bundesland eine Bühne, ihre Produktionen zu präsentieren, die zuvor in einem Juryverfahren ausgewählt wurden. Das jährlich wechselnde Motto stand 2025 unter dem Zeichen „Schultheater.Vielfalt.“, wobei gesellschaftliche Diversität, interkultureller Dialog und ästhetische Bildung im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzungen standen.

Programm und Rahmen

Neben den Theateraufführungen prägte ein vielfältiges Rahmenprogramm das Festival: Workshops für Schüler*innen, Nachgespräche, Austausch mit Theaterprofis und ein Fachtag an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig förderten die fachliche und künstlerische Weiterentwicklung aller Beteiligten. Die Fachforen, performativen Angebote und die enge Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig sowie dem Lessing-Theater Wolfenbüttel machten das Festival zum Treffpunkt für innovative Theaterarbeit an Schulen.

Theaterstück „Draußen vor der Tür – jung pleite und verzwEIFELt“

Es ist der 08. Mai 2025, 18.30, Aula des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Daun, Tag des Gedenkens an die Kapitulation von „Nazi-Deutschland“; manch einer wartet vielleicht auch noch auf weißen Rauch aus einem kleinen Schornstein auf einer römischen Kapelle.

Hier auf der Bühne erscheint gleich zu Beginn  auch ein weißer Rauch – dieser aber ist ein Rauch des Vergessens, so scheint es.

Gespielt wird Borcherts „Draußen vor der Tür“ in einer sehr kreativen und komplexen Variation, umgesetzt vom Kurs „Darstellendes Spiel“ der MSS 12 am Geschwister-Scholl-Gymnasium. Die Leitung des Kurses hat Frau Tanja Finnemann, die betont, dass 90% der Vorarbeit für die heutige Vorstellung von den Schülerinnen und Schülern sehr selbstständig geleistet worden ist, und das mit Begeisterung.

Der Zuschauer ist gefordert: Gespielt wird auf mind. 5 verschiedenen zeitlich-gedanklichen Ebenen:

Teil der Inszenierung ist die Spielsituation selbst: Zu Beginn und zum Schluss des Theaterabends fragt der Kurs, warum er sich mit Borcherts Stück abmühen soll, welche Relevanz es für die jungen Menschen aus der Eifel habe. Eine KI-Stimme gibt immer wieder hilfreiche Hintergrundinformationen z.B. zu Borcherts Stück oder auch zu der Besonderheit der Eifel. 

Beckmann, ein Kriegsheimkehrer aus dem 2. WK irrt in seiner ehemaligen Heimat herum und findet keinen Halt mehr. – Die Eifel ist schön mit ihrer wunderbaren Natur (eingespielte O-Töne schwärmen von der Eifel im Jahr 2025). – Was hat das miteinander zu tun? Weitere Spielebenen werden eröffnet: Wir sehen eine Eifelszene au der heutigen Zeit: ein bisschen dörfliches Familienleben, ein bisschen Party, ein bisschen Neugier, ein bisschen Klüngelei, ein bisschen Verherrlichung der Vergangenheit: „der August sah schon gut aus in seiner Wehrmachtsuniform“, ein bisschen Fremdenhass, heute noch. Dann wieder ein Schnitt – die Eifel im Jahr 1933 – Herr E. wird aufgrund eines vermeintlich erblich bedingten Schwachsinns zwangssterilisiert und damit ein Leben unwiderbringlich zerstört – ohne eine Aussicht auf Entschädigung – auch nicht Jahrzenhnte später. Die  Bundesrepublik tut sich lange schwer mit der Aufarbeitung der Geschichte der Opfer von Euthanasieverbrechen und Zwangssterilistation, auch in der Eifel. Herr E. ist keine Erfindung – neben Borcherts Stück arbeitetet der DS-Kurs mit Forschungsarbeiten der Doktorandin für Geschichte, ehemalige GSG-Schülerin, Franziska Kaiser. Herr E. war eines der Opfer der Nazis in der Eifel; er starb 1999 in Gerolstein. – Warum wissen wir so etwas nicht? Immer wieder werden Szenen von Borchert  mit „Eifelszenen“ von damals und heute komponiert und mit offener Deutung eindrucksvoll dargestellt. -Dann wieder Borchert: Beckmann findet noch immer keine Heimat– und bleibt draußen vor der Tür, unverstanden, ungehört, von der Bühne „weggeräumt“. 

Ein Abend des Nachdenkens über den „roten Faden“, der alle  Spielebenen verbindet. Ein sprechender Chor am Schluss zieht noch einmal die Brücke zum heutigen Datum, dem 08 Mai und mahnt „Nie wieder ist jetzt“. Vielleicht ist auch die sehr überzeugende und geschlossene gemeinschaftliche darstellerische Leistung des Kurses ein Schlüssel zur Botschaft: Zusammen können wir die Bühne bespielen, Spaß haben und gleichzeitig Haltung zeigen und einstehen für Demokratie, Frieden. Wir alle können uns an der Eifel-Heimat freuen, die mehr ist als schöne Natur, sondern die auch Verantwortung von uns fordert und so grausame Geschichte überwindet, nicht durch Vergessen. 

(Nathalie Krämer)

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